31.10.2023
Pater Anselm Grün beim Signieren am Büchertisch
Vortrag von Pater Anselm Grün in Weinstadt-Beutelsbach

Zeit für Versöhnung

Großer Andrang herrschte am Büchertisch der Buchhandlung blessings4you aus Weinstadt, die den Benediktinerpater aus dem Kloster Münsterschwarzach anlässlich der Neuerscheinung seines Buches „Zeit für Versöhnung“ eingeladen hatte. Sicher hatten sowohl die Person des Autors von mehr als 300 spiritueller Bücher als auch das Thema Versöhnung angesichts der weltpolitischen Lage über 300 Zuhörer in den großen Veranstaltungssaal der Stiftung Großheppacher Schwesternschaft nach Weinstadt-Beutelsbach gelockt.
Gleich zu Beginn streifte Anselm Grün den Konflikt zwischen Israelis und der Hamas, fokussierte seinen Vortrag dann auf den Einzelnen und wie sich jeder mit sich, den Eltern, den Geschwistern, in der Partnerschaft oder im Berufsleben versöhnen kann: „Zum Versöhnen gehören immer zwei“, so Anselm Grün, „es braucht es die gegenseitige Bereitschaft.“ Vergeben könne man alleine, um sich zu versöhnen, muss man zuallererst vergeben können. Anselm Grün definierte Vergebung als therapeutischen Akt in fünf Stufen: Erstens muss man den Schmerz zulassen, zweitens die Wut und dann die Kraft aufbringen, sich davon zu distanzieren. Drittens, man sollte sich anschauen, was eigentlich geschehen ist und versuchen, die Situation des anderen zu verstehen. In der vierten Stufe befreie man sich von der negativen Energie - gibt sie weg, um dann in einer fünften Stufe die „Wunden in Perlen“ zu verwandeln. Anhand von Beispielen aus seiner Beratungstätigkeit verdeutlichte er, dass meist die eigenen Erwartungen einer Versöhnung im Weg stehen können und wir uns mit dem Kind in uns, dem verletzten, vernachlässigten, ungeliebten oder mindergeachteten Kind, versöhnen müssen, um vergeben zu können. Grün bedauerte, dass in der heutigen Zeit das Gespräch verloren gegangen ist. „Jeder möchte nur noch recht haben und Sprache wird dazu verwendet, zu spalten. „Wer in sich gespalten ist, der spaltet auch eine Gruppe“, so Grün. Um Versöhnung innerhalb der Gesellschaft zwischen den Völkern zu erreichen, muss man in der Lage sein, Brücken zu bauen. Dazu gehöre die Fähigkeit des Zuhörens und Fragenstellens, um dann zu antworten. Auf die Umweltprobleme eingehend, vertrat er die Meinung, dass der Mensch wieder eine spirituelle Beziehung zur Natur aufbauen müssen und selbst als Teil der Natur wahrnimmt: „Nur dann empfinden wir Demut vor ihr und können sie schützen.“ Er plädierte dafür, die Hoffnung auf Versöhnung nie aufzugeben. ‚Dum spiro, spero‘, „solange ich atme, hoffe ich‘“, zitierte er den römischen Redner Tullius Cicero. Nach einer Fragerunde beendete der Mönch seinen Auftritt mit einem Ritus und einem Schlussgebet. Noch am gleichen Abend brach er, nachdem er zahlreiche seiner Bücher signiert hatte, auf zurück nach Münsterschwarzach.
Das Buch »Zeit für Versöhnung« ist im Herder Verlag erschienen.